Die Sphinx und die Frau von Welt

DIE WELT
12. November 2004

























































































 


Die Sphinx und die Frau von Welt

Noch ein Preis und noch ein Orchester für Claudio Abbado

von Manuel Brug

Bologna - Verleger Klaus Wagenbach fand das Festessen "grenzwertig", Regisseur Patrice Chéreau hat sich - wie sein Vorgänger - nicht einmal bedankt. Es ist nicht leicht, heute einen Preis zu verleihen. Obwohl er von immerhin 25 000 Euro begleitet wird. Und zudem etwas dem deutschen Sehnen so Nahem, so unbedingt Preiswürdigem gewidmet wurde wie der kulturellen Verständigung mit den romanischen Ländern. Ausgelobt hat ihn die mit allen Megapearls gewaschene Gabriele Henkel. Düsseldorferin von Profession ("obwohl ich da nirgends mehr eingeladen werde"), Kunstprofessorin, gelegentliche Bühnenbildnerin ("meinen Kölner ,Parsifal" hat der Regisseur viel zu dunkel ausgeleuchtet!") und Mäzenin. Noch ein Preis, also, den ihrer Kythera-Stiftung. Benannt nach dem Paradies der irdischen Liebe, die Antoine Watteau so unvergleichlich in zarteste Farbnebel gehüllt hat.
Diesmal hatte sich Gabriele Henkel sogar vier Tage in Bologna aufgehalten, um ihren aktuellen Preisträger vorher persönlich kennen zu lernen: Claudio Abbado, den schweigsamen Buddha unter den Dirigenten. Die Sphinx und die Frau von Welt. Irgendwann nachts sitzen sie auf einer Couch, abseits von einem Empfang im mondänen Palazzo.
Frau Henkel hat über den konzentriert lauschenden Abbado eines ihrer Bücher geschrieben, das erklärt sie nun. Nur zwei uralte hölzerne Chinesen hören in dem prunkvollen Salon zu. Nebenan wird
Steinpilzrisotto und Maronenschaum gegessen. Inge Feltrinelli stellt
Nike Wagner der Bologneser Gastgeberin vor. Die flüstert, daß sie mit der "modernen Kunst der Signora Henkel" nichts anfangen könne. Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, die vorher, im Konzert, bis zum ersten Ton am Handy hing, um sich dann an ihre Freundin Prinzessin Alessandra Borghese zu kuscheln, ist schon gegangen.

Überhaupt, das Konzert. Gabriele Henkel hat den Zeitpunkt ihre Preisübergabe gut gewählt. Denn Claudio Abbado soll vor allem für
seine pädagogische Breitenwirkung und seine unablässigen Orchestergründungen ausgezeichnet werden. Eben hat er das halbe Duzend voll gemacht. Sein Orchestra Mozart, das zunächst einmal für drei Jahre finanziert ist und vor allem im Jubiläumsjahr 2006 voll
beschäftigt sein soll, ist Wirklichkeit geworden. Seine Tochter Alessandra, inzwischen in Bologna ansässig, managt als Spezialprojekt der ehrwürdigen, 1666 gegründeten Accademia Filarmonica di Bologna die fünfzig Musiker, zur Hälfte italienische Musikstudenten. Den Rest stellen, nach altem Abbado-Prinzip, berühmte Orchesterfreunde und Solisten. Die Konzerte der laufenden Saison werden neben Abbado von John Eliot Gardiner, Trevor Pinnock, Bruno Canino und Alexander Lonquich geleitet.

Und schon das Eröffnungsprogramm, vorgestellt im Teatro Manzoni, gerät höchst erfreulich. Claudio Abbado, der bei jedem seiner Konzerte wieder glücklicher, gesünder wirkt, wird dem bereits sehr kultivierten Klangkörper seinen sich bis im Fußtrampeln austobenden Überschwang sicher noch austreiben. Beethovens Egmont-Ouvertüre zum anfänglichen Dampfablassen. Bei Mozarts Klavierkonzert Nr. 20 begleitet er zurückhaltend, doch dominant. Die Haffner-Sinfonie gerät zum sprühend witzigen Orchesterfest. Applausekstase, Blumen tütenweise.

Blumen auch am nächsten Morgen. Gabriele Henkel hat Rosenblätter auf dem Podium der Sala Mozart in der Accademia Filarmonica verstreut. Der junge Wolfgang Amadeus hat hier 1770 im Alter von 14 Jahren sein Konzertexamen abgelegt. Gabriele Henkel ernennt Abbado, zunächst entzückend italienisch radebrechend, zum "Ehrenbürger der Insel des Glücks und der Harmonie des Universums". Laudatorin Nike Wagner nennt ihn einen Bernhardschen "Kulturmenschen", bei dem "Ethik und Ästhetik" eins sind. Abbado wiederum stiftet das Preisgeld zwei jungen Orchestermusikern. Darauf einen Prosecco. In Kytheras Namen.































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