WANDERER'S 
ERZÄHLUNGEN Nr.7

Zwei Verrückte auf Urlaub

auf den Spuren des GMJO
durch Europa 


 





 




Der Wanderer, diesmal in Begleitung einer Freundin, hatte erneut das große Glück, das Gustav Mahler Jugendorchester auf einem Teil seiner Reise begleiten zu können. Was er da erlebt hat verschlug ihm die Sprache. Er will aber dennoch versuchen, ein wenig zu berichten von dem was er sah und hörte.

Von dem ersten Konzert in Bozen ist bereits berichtet worden. Dieser Wanderer kann nur sagen, dass er „kalt erwischt“ wurde, wenn man ihm die saloppe Ausdrucksweise gestattet. Er weiß natürlich, dass Claudio Abbado ein großer Orchestererzieher ist, aber mit diesem homogenen Klang, dieser technischen Perfektion, dieser Reife hatte er nicht gerechnet.

In Budapest ergaben sich leichte Schwierigkeiten bezüglich der Größe der Bühne. Da war es fast eine gute Lösung, dass Anna Larsson krankheitshalber absagen musste und es „nur“ die Symphonie gab. Diese war erneut (fast) perfekt sowie von einer bestürzenden Intensität und unglaublichen Spannung.

Ansonsten war der Wanderer von Budapest enttäuscht. Ihm schien es als ob die Stadt direkt vom Kommunismus in den Kapitalismus gefallen sei, ohne den Umweg über die Kultur gemacht zu haben. Überall entweder herrliche Bauten, die dem Zerfall preisgegeben sind oder neue, luxuriöse Geschäfte, meist (amerikanischer) Ketten zugehörend, die, man spürt es, auf den Tourismus ausgerichtet sind.

Bratislava dagegen, die nächste Etappe, war ganz anders. Zwar auch hier am Stadtrand hässliche Bauten, aber es gibt einen herrlichen, restaurierten historischen Stadtkern und viele kleine einheimische Läden.

Anna Larsson war noch nicht wieder ganz gesund, aber sie wagte zu singen – und gewann. Allerdings war es kein reiner Genuß denn man merkte ihr die Anstrengung an – sowie die Erleichterung als alles vorbei war. Aber Hut ab vor ihrem Mut! Die Bühne war hier größer, dafür der Saal kleiner. Erneut war die Symphonie kaum zu ertragen – so erschütternd war sie.

Der Wanderer wollte schon immer, bedingt durch seine historischen Interessen, nach St. Petersburg, hatte es aber auf Grund seiner Flugangst nie geschafft. Was kann ihm da Besseres passieren als ein Konzert in dieser Stadt, dirigiert von Claudio Abbado, die einzige Person die ihn in einer dieser fliegenden Kisten bekommt?!?

St. Petersburg empfing uns bei strahlendem Sonnenschein, blauen, wolkenlosem Himmel, angenehme Temperaturen – und Eisschollen auf der Neva! Herrlich! Von verschiedenen Seiten war der Wanderer gewarnt worden vor den Sicherheitsproblemen dieser Stadt. Er war natürlich vorsichtig, aber er muß gestehen, dass er sich in St. Petersburg sehr wohlgefühlt hat. Obwohl die Sonne schien ist ein Besuch der Eremitage mit seiner einzigartigen Sammlung ein absolutes Muß. Der Wanderer hat u.a. auch die Peter-Paul-Festung besichtigt, aber für viel mehr blieb leider nicht die Zeit.

Am Abend war der wunderschöne Saal der Philharmonie gefüllt. Anna Larsson war wieder gesund und konnte den „Abschied“ voller Gefühl singen. Die Symphonie überzeugte erneut durch ihre Ausdrucksstärke. Zum Glück stellte der Wanderer fest, dass (entgegen anderslautenden Nachrichten) auch viele Einheimische das Konzert miterleben konnten.

Von dem sonnigen Norden kommend erwartete der Wanderer eigentlich, dass in Italien auch die Sonne lacht. Aber bei der Ankunft in Mailand sowie in Reggio Emilia regnete es. Oder hat sich die Wetterlage nur dem Seelenzustand des Wanderers angepasst, denn Reggio ist die letzte Station der zwei Verrückten auf Urlaub?! Noch einmal darf er dieses herzzerreißende Stück erleben. Nachdem sich die Spannung gelöst hat begann der traditionelle Blumenregen. Es war der erste auf dieser Tour und das Orchester schien überrascht und erfreut. Der Wanderer warf mit zunehmender Begeisterung die Blumen, die ein freundliches Clubmitglied für ihn vorbereitet hatte.

Die Zuschauer haben den Wanderer nicht enttäuscht. Wenn er auch in Bozen im ersten Teil sehr verärgert war (so viele Programme sind wohl noch nie zu Boden gefallen!) so war doch am Ende hier wie in allen anderen Städten eine wunderbar erfüllte und ausdauernde Stille zu vermerken. In St. Petersburg befürchtete der Wanderer Schlimmes, denn nach dem „Abschied“ setzte der Applaus viel zu schnell ein, aber nach der Symphonie konnte das Publikum sich rehabilitieren. Allerdings - die einzigen Mobiltelefone der Tournee klingelten in St. Petersburg, je eines pro Halbzeit!

Gustav Mahler hat sich immer ein junges, begeisterungsfähiges Orchester gewünscht. Hier ist sein Traum in Erfüllung gegangen. Das Orchester spielte mit (fast) perfekter technischer Brillanz, der Klang war äußerst homogen (was angesichts der doch relativ geringen Probezeit erstaunt) und er war von einer bestürzenden Intensität sowie von unglaublicher Reife. Claudio Abbado, der (man weiß es) nie besser als mit Jugendlichen ist, lief zur großen Form auf. Er war aufmerksam, anfeuernd, aber gleichzeitig sehr konzentriert und intensiv. Er hatte alles genau im Griff, ließ sich aber von den tiefen Gefühlen, die in dieser Partitur schlummern, mitreißen. In ihm brannte eine feurige Glut und die Musiker waren fähig, diese zu übertragen.

Der Wanderer, wie bereits schon so oft, ist äußerst dankbar für alles, was er erleben durfte und bedankt sich aus tiefstem Herzen bei allen Beteiligten.







































Der Wanderer

Sich erinnern

Um CAI zu kennen


Schreiben Sie uns

e-Mail