ABBADO UND DIE PRESSE

BERLINER MORGENPOST
21 Mai 2006
Klaus Geitel

Richard Wagner
Wesendonck Lieder
Anne Sofie von Otter
Mezzosopran

Robert Schumann
Manfred

Berliner Philharmoniker
CLAUDIO ABBADO

f

Foto
Cordula Groth

















































 





Claudio Abbado legt Schumann auf die Couch

Klassik

Vor hundertfünfzig Jahren wurde Sigmund Freud geboren, und ihm zur Feier schienen die Philharmoniker unter dem zeitweilig heimgekehrten und liebevoll empfangenen Claudio Abbado Schumanns "Manfred" auf ihr Programm gesetzt zu haben. In der Philharmonie bereitete man ihm einen großen, aufwendig hergerichteten Bahnhof. Doch dann kam gar kein Zug.

Lord Byrons "Manfred" ist ein an Gott und Welt, nur nicht an sich selbst zweifelnder Übermensch, von schier unüberbietbarer Hybris getrieben, sozusagen die fleischgewordene Romantik. Die nahm Schumann wie im Rausch gefangen. Lord Byron hatte sie vor sich hingedichtet wie ein Fanal, Menschen- und Geisterwelt dabei ein für allemal verschränkend. Manfred, in den Hoch- und Höchstalpen daheim, sinniert sich ausgiebig dem Selbstmord entgegen, aber mordet am Ende nur das ihm gewidmete Stück. Es verpufft dramatisch.

Die ihm eingespleißten kleinen Ensembles und Melodramen umklingen trauernd das Grab. Am nachdrücklichsten klingt noch der Bayerische Rundfunkchor, der, als hätte er die Alpen nicht daheim vor der eigenen Haustür, die stolzesten philharmonischen Höhen zu erklimmen hat.

Es wird angemessen geschauspielert. Bruno Ganz steckt die Nase tief in die Blätter seines Manuskripts, als lohne es nicht, die eigenen Tiraden auswendig zu lernen. Auch der ausgezeichnet diskrete Peter Fitz als Abt hält, eine andere Bibel, seinen Text fest in der Hand. Beide aber werden an unverzagter Intensität durch den hilfreichen Gemsenjäger Jens Harzer überrundet und gleichzeitig durch die Sprechenergie von Barbara Sukowa in den Schatten gestellt.

Vorweg sang Anne Sofie von Otter, von Abbado und den Philharmonikern delikat begleitet, die Wesendonck-Lieder von Richard Wagner mit unüberbietbar schöner Tongebung, aber sozusagen vom leeren Seelen-Blatt.

Klaus Geitel © Berliner Morgenpost 2006






































Andere Zeitungen über Berlin 2006

Der Wanderer

Sich erinnern

Um CAI zu kennen


Schreiben Sie uns

e-Mail