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© Neue Luzerner Zeitung; 25.08.2004; Seite 10
Luzerner Zeitung Kultur
Lucerne Festival
Kammermusik im Sinfoniekonzert
In seinem dritten Konzert präsentierte das Mahler Chamber Orchestra erneut ein Kontrastprogramm: mit
Hindemith und Beethoven.
Am Pult des Residenz-Orchesters stand diesmal Claudio Abbado, der 1997 die Gründung des Orchesters angeregt hatte und es seither als künstlerischer Berater begleitet.
«Dreimal Hindemith, muss das sein?» Diese Frage mag sich der eine oder andere vor dem Konzert gestellt haben, denn Hindemiths Musik erfreut sich nicht überall hoher Wertschätzung.
Unerhört spannend
Die Furcht war unbegründet, denn zu hören bekam das Publikum drei unerhört spannende Werke in exemplarischer Interpretation, nämlich die beiden Kammermusiken Nr. 4 und 5 eigentlich Solokonzerte für Violine beziehungsweise Bratsche sowie das Finale aus der Kammermusik Nr. 1. Dass Hindemith seine Solokonzerte zu Recht als Kammermusiken bezeichnete, machte die klangliche Realisierung der Partituren deutlich. Claudio Abbado suchte nicht den grossen Orchesterklang, davon musste schon die ungewöhnliche Besetzung mit tiefen Streichern und Bläsern abraten: Er liess sein Ensemble als Kammermusikformation auf höchstem Niveau agieren, in das auch die Solisten eingebettet sind.
Plädoyer für die Bratsche
Das kam Hindemiths Musik in doppelter Hinsicht entgegen: Zum einen wurden die komplexen Strukturen hörbar, zum andern konnten sich die verschiedenen Instrumente in ihrer klanglichen Eigenart voll entfalten. Das Resultat war ein überaus farbiger Hindemith, reich an Stimmungen und klanglichen Nuancen, vom Nachtstück bis hin zur Musik gewordenen Unrast der Zwanzigerjahre im Finale der Kammermusik Nr. 1.
Die beiden Solisten Kolja Blacher, Violine, und Wolfram Christ, Bratsche, meisterten ihren höchst anspruchsvollen Solopart mit Bravour. Wolfram Christ widerlegte ausserdem alle Vorurteile gegen sein Instrument und dessen Spieler: Die Bratsche ist in den richtigen Händen ein betörend schönes Instrument!
Lebensbejahend
Der kurze zweite Konzertteil brachte die Rückkehr zur sinfonischen Normalität. Dass der Beginn von Beethovens erster Sinfonie für die Hörer des Jahres 1800 alles andere als konventionell war, können wir zwar nachvollziehen, aber nicht mehr spontan erfahren. Dass die Sinfonie nach wie vor wirkt, bewies das Mahler Chamber Orchestra unter Claudio Abbado in einer Interpretation, welche die lebensbejahende Grundstimmung des jungen Beethoven voll zur Geltung brachte. Das Publikum dankte Orchester und Dirigent mit lang anhaltendem Beifall.
ANDRÉ STOCKER
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