LUZERN UND DIE PRESSE

 TAGES-ANZEIGER
21.August 2004


13. August
19.30 Uhr

Richard Strauss
Vier letzte Lieder

Renée Fleming

Richard Wagner
Tristan und Isolde
Akt.II

Violeta Urmana
John Treleaven
René Pape
Mihoko Fujimura
Peter Brechbühler
Ralf Lukas


Lucerne Festival Orchestra
CLAUDIO ABBADO


18 &19. August
19.30 Uhr

L.v. Beethoven
Klavierkonzert Nr 4 G-Dur op.58

Maurizio Pollini, Piano

Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 5

Lucerne Festival orchestra
CLAUDIO ABBADO


23. August
19.30 Uhr

Paul Hindemith
Kammermusik Nr.5 op.36/4
Wolfram Christ, Viola

Kammermusik Nr.4 op.36/3
Kolja Blacher, Violin

"Finale 1921" aus Kammermusik Nr.1 op.24

L.v. Beethoven
Sinfonie Nr.1 C-Dur op.21

Solisten des Lucerne Festival Orchestra
Mahler Chamber Orchestra

CLAUDIO ABBADO


























































































 


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© Tages-Anzeiger; 21.08.2004; Seite 50

Kultur

LUCERNE FESTIVAL: WOCHENRÜCKBLICK (1)

Ein multipler Klangkörper

Das Lucerne Festival Orchestra mit all seinen Unterformationen ist ein Glücksfall für den Start der Festwochen.

Von Thomas Meyer

Samstagvormittag in der Lukaskirche: Ein Ensemble mit dem Oboisten Albrecht Mayer, dem Fagottisten Stefan Weigert und dem Trompeter Reinhold Friedrich spielt barocke Konzerte und Sonaten: Zelenka, Telemann, Bach, und das mit unwiderstehlichem Drive und Virtuosität.

Sonntagvormittag im Luzerner Saal des KKL: Das Hagen Quartett, eine der renommiertesten Formationen heutzutage, bestreitet die erste, gewichtige Hälfte des Programms - mit einer gar nicht routinierten Aufführung von Beethovens op. 130 mitsamt der Grossen Fuge op. 133. Danach folgt Dvoáks Streichquintett op. 77 mit einem Ensemble um die Geigerin Brigitte Lang.

Sonntagabend im Konzertsaal des KKL: Das Mahler Chamber Orchestra, eine Gründung Claudio Abbados von 1997, spielt verstärkt durch Mitglieder des Lucerne Festival Orchestra Musik des beginnenden 20. Jahrhunderts: die immer noch umwerfende 1. Kammersinfonie Arnold Schönbergs von 1906 und das nur wenig später komponierte «Lied von der Erde» Gustav Mahlers - dies in der von Rainer Riehn fertig gestellten Kammerorchesterfassung Schönbergs. Der junge Chefdirigent Daniel Harding hat allerdings die Streicherbesetzung wieder vergrössert, verdoppelt bei Mahler zudem die Bläser und fügt wieder Harfe und Trompeten hinzu. Bei der Kammersinfonie hat das zur Folge, dass das Stück weniger angriffig wirkt und geradezu Wohlklang erzeugt, das «Lied von der Erde» rückt wieder dem Original näher, was ja nicht der Sinn der Bearbeitung war. Die Darbietung mit dem finnischen Tenor Jorma Silvasti und vor allem der schwedischen Altistin Anna Larson überzeugt dennoch.

Man könnte weitere Konzerte aufzählen: den zweiten Auftritt des Mahler Chamber Orchestra mit Beethoven und Schostakowitsch, jenen des Bläserensembles Sabine Meyer, einen Kammermusikabend. Alle Mitwirkenden trafen sich wie schon beim Eröffnungskonzert am Mittwoch zu Mahlers 5. Sinfonie wieder. Die Bläser besetzen Solopositionen: Friedrich bläst die Eingangsfanfare, Schweigert etwa das Fagottsolo zu Beginn des Rondo-Finales. Aber Brigitte Lang und die Hagens spielen nicht etwa am ersten Pult, sondern fügen sich in den Orchesterapparat ein. Sie machen mit, auf Abbados Wunsch, wie es heisst. Den «Stamm» für das Orchester bildet das Mahler Chamber Orchestra. Und sie alle tragen so ihren Teil bei zu einem bedeutsamen Ereignis.

Charismatischer Abbado

Das Lucerne Festival Orchestra, das heuer zum zweiten Mal auftritt, ist ein Geschenk für Luzern. Allein äusserlich: Es nimmt dem Festival den Nimbus eines Events, bei dem einander bloss die ewig gleichen überall hintourenden Ensembles ablösen. Es geht nicht nur um einen Supermarkt der Stars, obwohl in diesem Orchester sehr viele prominente Musiker mitspielen. Es greift einen Gedanken auf, der einst in Bayreuth, Glyndebourne oder anfangs auch bei den Internationalen Musikfestwochen Luzern im Vordergrund stand: Musiker trafen sich in der Sommerpause, um etwas gemeinsam zu erarbeiten.

Der Gedanke war nie tot, obwohl es bei den übervollen Terminkalendern immer schwieriger wurde, die Musiker dafür zu finden. Aber Kammermusikfestivals wie Gidon Kremers Lockenhaus oder auch Heinz Holligers Ittingen griffen diese Idee des gemeinsamen Musizierens erfolgreich wieder auf. Das nun nutzt Luzern: Die Musiker, des Orchesters wegen ohnehin anwesend, spielen in Kleinformationen auf und schaffen Vorbilder für das, was nachher von den Mitgliedern der Lucerne Festival Academy unter Pierre Boulez nochmals auf anderer Ebene erarbeitet wird.

Das Lucerne Festival Orchestra lädt also zum Musikfest. Und weil zudem ein Claudio Abbado am Pult steht, darf mans geniessen. Mit der Person dieses Musikers steht und fällt letztlich auch dieses Orchester: Wir wollen noch gar nicht daran denken, wie es sein wird, wenn dieser charismatische Dirigent das Orchester einmal weitergeben sollte. Er schweisst es zusammen.

Ein Ereignis: Man muss nicht bei allen Werken gleichermassen von exemplarischen Interpretationen sprechen. Wer die Aufnahme von Debussys «La mer» vom letzten Sommer ab CD (DGG) hört, wird den typisch debussyschen Klang, jene ungeheure Klangraffinesse, vermissen. Und ein Ensemble, das sich mit jüngerer Beethoven-Interpretation auseinander gesetzt hat (nennen wir hier getrost das Tonhalleorchester unter David Zinman), wird ein angriffigeres, vitaleres 4. Klavierkonzert darbieten als die sehr klangschöne, aber fast etwas abgeklärte Aufführung am Mittwochabend mit Maurizio Pollini.

Orchester bestehen nun mal nicht nur aus Solomusikern. So ist der Klang des Lucerne Festival Orchestra fast zu sehr geschwängert, er erreicht sofort eine ausserordentliche Fülle und Intensität. Aber im Gegensatz zu Real Madrid ist hier doch weitaus mehr als eine Startruppe zusammengekommen; ein grossartiger Klangkörper ist entstanden, dem an Ausdrucksreichtum und Spielfreude gleichzukommen für die nachfolgenden Ensembles nicht einfach sein dürfte. Zu erleben war das bei Strauss und Wagner zur Eröffnung und auch in Mahlers Fünfter. Ein guter Komponist hätte an diesem Werk ja einiges gekürzt, ein einzigartiger wie Mahler aber führt uns durch all die Um- und Abwege. Abbado und das Orchester füllen diese faszinierende Musik mit Klangmagie, verlassen sich aber nicht auf die ihnen mögliche Wucht. Sie musizieren bedachtsam und oft sehr leise, vielfältig nutzen sie die Farben und Expressionen - auf tief beeindruckende Weise.

Das Konzert mit Beethoven und Mahler wird am 5. 9. auf Radio DRS 2 übertragen.







































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