LUZERN UND DIE PRESSE

 NEUE ZÜRCHER ZEITUNG
25.August 2004

13. August
19.30 Uhr

Richard Strauss
Vier letzte Lieder

Renée Fleming

Richard Wagner
Tristan und Isolde
Akt.II

Violeta Urmana
John Treleaven
René Pape
Mihoko Fujimura
Peter Brechbühler
Ralf Lukas


Lucerne Festival Orchestra
CLAUDIO ABBADO


18 &19. August
19.30 Uhr

L.v. Beethoven
Klavierkonzert Nr 4 G-Dur op.58

Maurizio Pollini, Piano

Gustav Mahler
Sinfonie Nr. 5

Lucerne Festival orchestra
CLAUDIO ABBADO


23. August
19.30 Uhr

Paul Hindemith
Kammermusik Nr.5 op.36/4
Wolfram Christ, Viola

Kammermusik Nr.4 op.36/3
Kolja Blacher, Violin

"Finale 1921" aus Kammermusik Nr.1 op.24

L.v. Beethoven
Sinfonie Nr.1 C-Dur op.21

Solisten des Lucerne Festival Orchestra
Mahler Chamber Orchestra

CLAUDIO ABBADO


























































































 


herum...

© Neue Zürcher Zeitung; 25.08.2004; Nummer 197; Seite 45

Feuilleton

Lucerne Festival

Die Abbado-Familie

Konzerte mit dem Festival Orchestra

Vielleicht ist es ganz einfach ein Markenzeichen wie bei Christoph Schlingensief, dessen Inszenierungen ohne die beiden Dicken, Mann und Frau, nicht auskommen sollen. Vielleicht steht es aber auch für eine besondere Art des beruflichen und zwischenmenschlichen Zusammenseins wie bei Christoph Marthaler, der seine Kunst in einem relativ festen Kreis von Schauspielerinnen und Schauspielern pflegt. «Familie» sagt man dann. In der Musik gibt es das auch, man braucht nur an den Kreis um Heinz Holliger und András Schiff zu denken oder an das Netzwerk freundschaftlicher Beziehungen, das sich um den Geiger Gidon Kremer gebildet hat. Oder eben an die Familie um den Dirigenten Claudio Abbado, die auch dieses Jahr die erste Woche des Lucerne Festival prägt.

Um das Musizieren in einem Klima der Zuneigung und in einer ausgeprägten Balance des gegenseitigen Gebens und Nehmens geht es hier (vgl. NZZ vom 16. 8. 04). Und um die Autonomie des einzelnen Musikers, auch wenn er im Verband agiert - daher auch heuer wieder dieser Reigen von Kammermusik: mit dem Hagen-Quartett, mit dem Bläserensemble Sabine Meyer, aber auch mit ad hoc zusammengestellten Formationen, die in ihre Programme aufnehmen können, was sonst keinen Raum fände. Allein, im Fall der Abbado- Familie geht es noch um etwas anderes, geht es um das Musizieren im Orchester - und da zeichnen sich denn doch auch gewisse Grenzen ab. Das Lucerne Festival Orchestra, auf welch grandiosem Niveau es sich bewegen mag, ist und bleibt eine ebenfalls ad hoc zusammengestellte Formation. Und wie beim Schweizerischen Festspielorchester seligen Angedenkens will sich auch hier jener eigene Ton, der keineswegs auf Einbildung basiert, der bei den grossen Orchestern vielmehr zu den zentralen Merkmalen gehört und klar zu erkennen ist, nicht so recht einstellen.

Das mochte bei der Aufführung von Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 5 im zweiten Programm, welches das Lucerne Festival Orchestra diesen Sommer mit Claudio Abbado erarbeitet hat, als Einschränkung ins Gewicht fallen. Zumal wenn man sich der zahlreichen und unvergesslichen Mahler-Interpretationen erinnert, die Abbado mit den Berliner Philharmonikern nach Luzern gebracht hat - da hat doch eine ausserordentliche Qualität an klanglicher Verschmelzung, Ausprägung und, ja, Schönheit geherrscht. Dafür war in der Wiedergabe durch das Lucerne Festival Orchestra anderes zu erleben, das sich in dieser Form bei einem gewachsenen Orchester nicht einstellen kann. Es sind Solisten, die hier zusammenwirken, und so erhielt die von Reinhold Friedrich geblasene Solotrompete ganz ausgeprägtes Profil: im Trauermarsch des ersten Satzes, wo sie das Geschehen von Anfang bis Ende bestimmte, aber auch im Finale, wo sie den Choral mit einer leuchtenden Oberstimme versah. Von unglaublicher Strahlkraft, einem seidenen Glanz sondergleichen auch das obligate Horn im Scherzo, das Stefan Dohr stehend bediente. Und hinreissend insgesamt das Konzertieren der Bläser bis hin zu der Tuba, der Robin Haggart ungemein zarte Töne zu entlocken verstand.

So erhielt Mahlers Fünfte auch hier, nur eben von einer anderen Seite her, jene Dringlichkeit, die sich bei Abbado in so unverwechselbarer Weise einstellt. Überhaupt scheint der Dirigent, der ja eine schwere gesundheitliche Krise hinter sich hat, wie neugeboren, und ganz wie ehedem weiss er die um sich versammelten Musiker mit seiner Ausstrahlung zu beflügeln und mitzureissen. Besonders gut tat das den bisweilen doch ziemlich trockenen Kammermusiken von Paul Hindemith, die das Mahler Chamber Orchestra, sozusagen der Kern des Lucerne Festival Orchestra, im sechsten Sinfoniekonzert präsentierte. In der Kammermusik Nr. 5, einem Bratschenkonzert, ging Wolfram Christ seine Aufgaben merklich al fresco an, jedenfalls mit einiger intonatorischer Zufälligkeit in den beiden ersten Sätzen und rhythmisch nicht immer sattelfest. Brillant dagegen Kolja Blacher, der Konzertmeister des Lucerne Festival Orchestra, in der Kammermusik Nr. 4, einem Geigenkonzert mit halsbrecherischem Solopart. Witzig und frisch schliesslich das «Finale 1921» aus der Kammermusik Nr. 1, das freche Stück eines jungen Spunds, das die Aufbruchsstimmung der zwanziger Jahre spiegelt.

Mit zur Familie gehört auch der Pianist Maurizio Pollini, der langjährige Freund Abbados, der dieses Jahr als «artiste étoile» am Lucerne Festival mitwirkt und dort nicht nur auftritt, sondern auch unterrichtet. Unter seinen Händen wirkte das Klavierkonzert Nr. 4, vor der Sinfonie Mahlers gespielt, nun allerdings etwas erstarrt: perfekt im Handwerklichen, aber seltsam leblos im Ausdruck - und das übertrug sich aufs Orchester. Ganz anders Beethovens Sinfonie Nr. 1, die Abbado auf die drei Stücke Hindemiths folgen liess. Nicht in historischer Aufführungspraxis, aber doch in kleiner Besetzung und leichter, pointierter Diktion gegeben, liess das Stück erkennen, wie sich hier ein Komponist die Konvention anverwandelt, um sie im selben Atemzug hinter sich zu lassen.

Peter Hagmann











































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