ABBADO UND DIE PRESSE

FRANKFURTER ALLEGEMEINE 
ZEITUNG

23.August 2003


14. August
19.30 Uhr

Wagner: Die Walküre
Wotan'Abschied und Schlussszene
Debussy:  Le Martyre de Saint Sébastien, suite
Debussy: La Mer,
trois esquisses symphoniques

Bryn Terfel
Rachel Harnisch
Eteri Gvazava

Schweizer Kammerchor
Lucerne Festival Orchestra

CLAUDIO ABBADO


17. August
18.30 Uhr

Bach
Brandeburgische Konzerte Nr1 - 6 BWW 1046-1051

Mitgleider des
Lucerne Festival orchestra

CLAUDIO ABBADO


19 & 20 August
19.30 Uhr

Mahler
Sinfonie
Nr.2
"Auferstehung"

Eteri Gvazava
Anna Larsson

Orfeón Donostiarra
Lucerne Festival Orchestra

CLAUDIO ABBADO



















































































































































 


herum...

Das Feuer im Ohr

Abbado hat in Luzern ein fabelhaftes neues Orchester erfunden


LUZERN, im August

Am Donnerstag, dem 25. August 1938, gab Arturo Toscanini vor Richard Wagners Villa Tribschen bei Luzern den Auftakt für ein eigens für ihn zusammengestelltes Ensemble, aus dem dann 1943 das Schweizerische Festspielorchester hervorging. Um das Orchestre de la Suisse Romande als Stamm versammelten sich Schweizer Kammermusik-Formationen und Orchester- Stimmführer, an den ersten Streicherpulten saß das Busch-Quartett. Das Programm des Galakonzerts enthielt neben Wagners Siegfried-Idyll auch das Vorspiel zum dritten "Meistersinger"-Akt. Vor zehn Jahren wurde dies Orchester, Garant für die tönende Umsetzung der Themen bei den Internationalen Musikfestwochen Luzern, wegen Termin- und Qualitätsproblemen aufgelöst.

Am Donnerstag, dem 14. August 2003, dirigierte Toscaninis sechsundsechzig Jahre jüngerer Landsmann Claudio Abbado in Jean Nouvels Luzerner Konzertsaal das erste "Concert de Gala" des eigens von ihm zusammengestellten Lucerne Festival Orchestra. Um das Mahler Chamber Orchestra, 1997 aus Abbados Gustav-Mahler-Jugendorchester hervorgegangen, versammelten sich internationale Kammermusik-Formationen wie das Hagen-Quartett oder Sabine Meyers erweitertes Bläserensemble, aber auch angesehene Solisten wie Kolja Blacher (als Konzertmeister), die Cellistin Natalia Gutman und der Trompeter Reinhold Friedrich, dazu Stimmführer aus siebenundzwanzig berühmten Orchestern. Alle sind sie langjährige Freunde und Weggefährten Abbados. Wotans Abschied und Feuerzauber aus Wagners "Walküre" erinnern an den Genius loci des Toscanini-Vorbilds.

Abbado, der seit 1966 beim Luzerner Festival gastierte und mittlerweile vierzigmal mit verschiedenen Orchestern auftrat, hat bewußt auf Toscaninis Modell zurückgegriffen. Für den Luzerner Intendanten Michael Haefliger, der mit der Ermutigung der Moderne und seinem Residenz- Konzept einer Langzeit-Bindung von Komponisten, Interpreten und Orchestern dem Festival ein eigenes Gesicht geben will, ist Abbados Idee eine Hilfe, der international nivellierten "Einkaufskultur" von Reiseorchestern ein Projekt entgegenzusetzen, das unverwechselbar ist. Für Abbado mag dies phönixgleich aufgestiegene Orchester seine Auferstehung aus schwerer Krankheit symbolisiert haben. Jedenfalls dirigierte er Werke mit so verräterischen Titeln wie "Wotans Abschied" und "Le Martyre de Saint Sébastien" (Suite aus Debussys D'Annunzio- Vertonung) sowie Mahlers "Auferstehungs"-Symphonie mit neugeborenem Feuer und Klangsinn, und das Orchester folgte ihm nach nicht einmal zweiwöchiger Probenphase rückhaltlos. Nicht minder verblüffte die Durchhörbarkeit auch in größter Besetzung. Sie entspricht Abbados kammermusikalischem Ideal.

Nicht zufällig war der Zeitraum zwischen den beiden Symphoniekonzerten mit sechs Kammer- und zwei Kammerorchesterauftritten ausgefüllt. Verschiedene Gruppierungen vom Duo über das Oktett bis zur halben Hundertschaft konnten sich auf Abbados Ästhetik einschwören: Leicht, licht, luftig hießen die Maximen, auf denen er bei den Proben mit sparsamen Worten und Gesten unmißverständlich bestand. So klangen denn auch die sechs Brandenburgischen Konzerte am Abend: geschmeidig, tänzerisch federnd und mit gerade so viel Relief, um nicht in Schönklang zu versinken. "Ich habe Abbado nie so fröhlich gesehen - es ist für ihn sicher eine ganz besondere Sache", meinte der fast zwei Generationen jüngere Daniel Harding, Abbados ehemaliger Berliner Assistent.

Der Unterschied zwischen Abbados vergeistigtem Feuer, seiner gelassenen Konzentration und dem angespannten Leistungswillen, mit dem Harding sein künftiges Mahler Chamber Orchestra in Haydns Es-Dur-Sinfonie "Der Philosoph" und Schumanns Zweiter auf Touren trimmte, könnte nicht größer sein. Immerhin profitierte von diesem Ausdrucksfanatismus auch die erste von siebzehn Uraufführungen in den hundert Festivalkonzerten, Rudolf Kelterborns gar nicht altersmüde "Herbstmusik" in sieben sinnlich- plastischen Orchesterstücken.

Die ganz besondere Sache: Das ist Abbados große, auf verschiedene Ebenen vernetzte Familie seiner Kammermusikfreunde, deren Leistungen vorschnell, fast inflationär als "Sensation", als "Wunder" hochgejubelt wurden. Doch sind die gewiß erstaunlichen Ergebnisse nicht vom Himmel gefallen. Alle Orchestermitglieder rühmen Abbados freundlich-beharrliche Integrationsleistung, mit der er das "Zusammenhören" fordert. Diese "großen Ohren", die schließlich zu einem orchestralen Superohr werden, seien unentbehrlich, denn - so Thomas Ruge, Solocellist der Münchener Philharmoniker - "abseits von Schienen und Gewohnheiten müssen wir uns alle auf unerprobte Erfahrungen und Gruppenprozesse einstellen". Diese stimulierende, aber auch strapazierende Ausnahmesituation betraf nicht zuletzt auch gefeierte Solisten, die sich im Tutti wiederfanden, ohne sich zurückgestuft zu empfinden: "Ein Solist ist nicht automatisch ein besserer Musiker", erkannte auch Sabine Meyer. Routine ist ausgeschlossen: "Man kann nicht einschlafen", weiß der Luzerner Cellist Rafael Rosenfeld: "Man sitzt im Gegenteil immer hellwach auf der vorderen Stuhlkante." Wichtiger als das Ich-Prinzip - Hauptmotto des Festivals - ist die gesteigerte Aufmerksamkeit in der Gemeinschaftsarbeit. So kann ein Stromkreis des Inspiriertwerdens und Inspirierens zwischen Dirigent, Orchester und Publikum entstehen, meint der ehemalige Berliner Philharmoniker-Bratscher Wolfram Christ. Und mit direkter Kritik am routinierten Orchestertrott faßt Christ das "Geheimnis" des neuen Orchesters zusammen: "Ein entscheidender Unterschied zu altgedienten Weltklasseorchestern ist die Bereitschaft von hundertdreißig Musikern, sich einer großen Idee ganz hinzugeben. Das Wort Orchester-Dienst gibt es hier nicht."

Die leise Beharrlichkeit, mit der Abbado in der Bach-Probe mit einzelnen Musikern Details bespricht und die Ergebnisse der sozusagen demokratischen Absprachen dann in seine eigene Erfahrung einbringt, hat etwas bezwingend Suggestives, Offenes. Auf seine präzise Klangvorstellung eingestimmt, sucht er mit den Musikern Wege zur Annäherung an den Komponistenwillen, schafft klanglich Freiräume, die die Musiker initiativ und selbstverantwortlich erkunden müssen. Er erzieht zum Zuhören, statt vorgefertigte Konzepte einzupauken und im Konzert einzufordern. In diesem Kreis aus Lieblingsmusikern "stimmt die Chemie" so sehr, daß nicht jedes Detail vorausgeplant und zerredet werden muß. Diese Erfahrung hat nicht allein Georg Faust, Solocellist der Berliner Philharmoniker, gemacht. Sabine Meyer hat gelernt, Abbados Metasprache zu übersetzen: Man müsse Abbados Absichten "an seinen Lippen, an seinem Ellenbogen, an jeder Bewegung seiner Hand und seines Kopfes" ablesen. "Da kann man nie auf Autopilot schalten", ergänzt Reinhold Friedrich. "weil man nie weiß, wo der Claudio als nächstes hin will."

Mit dieser Strategie am langen Zügel, bei höchster Konzentration schafft Abbado jenen Freiraum, der die Musik im Konzert wie neu entstehen läßt. Doch die ganz eigene Orchesteranatomie, das ungewöhnliche Entstehen musikalischer Gestalten aus Intuition und klarem Durchblick im Dialog mit mündigen Musikern wirft bange Fragen auf: Wie wird es weitergehen mit diesem Lucerne Festival Orchestra? Ist es auch ohne Abbado denkbar? Und kann es künftig programmatisch auf die Festival-Thematik verpflichtet werden, wie das Vorgänger-Ensemble? Haefliger gibt sich pragmatisch. "Der Horizont ist vorerst auf fünf Jahre angelegt. Im Moment muß sich das Orchester erst einmal zu einem homogenen Klangkörper konsolidieren, ehe an ein innovatives Repertoire gedacht werden kann. Ohne Abbado ist dieses Projekt nicht denkbar. Er kann mit diesem Potential an Musikern als Primus inter pares am besten umgehen." Zu einem hochgreifenden Vorhaben gehört ein ebenso großes Risiko: Die Zukunft ist unsicher. Der Anfang war verheißungsvoll.

ELLEN KOHLHAAS





















































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Filmreihe
«Claudio Abbado»
15. - 19. August 2003


Im Rahmen der Kulturpartnerschaft LUCERNE FESTIVAL-ARTE werden im Rahmen von SOMMER 2003 und anlässlich des 70. Geburtstages von Claudio Abbado vier Filme über und mit dem Chef des LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA gezeigt.

Zwei der Filme (17. und 19.8.) werden in Luzern exklusiv als Avant-Première vor der Erstausstrahlung im Kulturkanal ARTE präsentiert.

Freier Eintritt

Freitag, 15. August, 22.00 Uhr
Kleiner Saal

Abbado Nono Pollini: Eine Kielspur im Meer

Ein Film von Bettina Erhardt und Wolfgang Schreiber

(BCE Film, 2000, 60')


Samstag, 16. August, 21.00 Uhr
Kleiner Saal

Europakonzert vom 1. Mai 2002 im Teatro Massimo, Palermo

Berliner Philharmoniker, Claudio Abbado, Gil Shaham, Violine

Werke von Beethoven, Brahms, Dvorak, Verdi

TV-Regie: Bob Coles; Produzent: Paul Smaczny

(NHK/VIDEAL/brilliant media)


Sonntag, 17. August, 21.00 Uhr Kleiner Saal

Claudio Abbado dirigiert Schubert I (2002)

Konzert zum 21. Jubiläum des Chamber Orchestra of Europe in der Cité de la musique Paris am 25.5.2002

Anne Sofie von Otter, COE, Claudio Abbado

TV-Regie: Andy Sommer

(ARTE France/Bel Air Media)

(40')


Dienstag, 19. August, 18.00 Uhr, Kleiner Saal

Claudio Abbado dirigiert Schubert II (2002)

Konzert zum 21. Jubiläum des Chamber Orchestra of Europe in der Cité de la musique Paris am 28.5.2002

Thomas Quasthof, COE, Claudio Abbado

TV-Regie: Andy Sommer
(ARTE France/Bel Air Media)
(40')




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