IN DER PRESSE

DIE WELT
16.August 2003


Porträt Daniel Harding



























































































 


herum...

Sein Vorbild heißt David Beckham

Daniel Harding gehört schon zu den gefragtesten Dirigenten der Welt. Dabei ist er noch nicht einmal 28

von Manuel Brug


Der Dirigent und Musikalische Direktor der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, Daniel Harding

Foto: ddp

Ein Junge schlurft durch South Kensington in Richtung Hyde Park. Er ist blond, schmächtig und bleich, das weite Sweatshirt schlackert um die ebenfalls zu großen Jeans. Er ist auf dem Weg zu seinem sechsten Konzert bei den BBC-Proms in der Londoner Royal Albert Hall. Drei Stunden und ein paar Takte Rameau, Sibelius und Beethoven später werden dem Schweißgebadeten 6000 trotz heftigen Fächergebrauchs ebenfalls durchfeuchtete Zuhörer begeistert zujubeln. Und er wird ein paar Minuten später seinem Orchester, der Deutschen Kammerphilharmonie, die er heute letztmals als Chef geleitet hat, bei einem Glas Champagner sagen: "Wenn ihr in den letzten vier Jahren nur halb so viel gelernt habt wie ich, dann ist das sehr, sehr gut."


Daniel Harding ist fast 28, und er ist einer der gefragtesten Dirigenten der Welt. Doch seit seinem spektakulären Karriererestart 1996 bei den Berliner Festwochen als Einspringer für Vladimir Ashkenazy hat der ehemalige Assistent von Rattle und Abbado vieles anders gemacht, als es von einem begierig nach Frischfleisch greifenden Markt erwartet wurde. Seine Idole sind weder Bach noch Mozart, Mahler oder wenigstens der Alte Fritz, sondern ganz prosaisch David Beckham. Dem hat er, wie den Mannschaften von Manchester und Turin, einen kompletten Autogrammsatz abgeluchst, indem er sich backstage als Liftboy ausgab. Das würde man nicht so vielen Dirigenten abnehmen.


Auch neben passivem wie aktivem Fußball teilt Daniel Harding seine Zeit unorthodox ein. Er liebt den authentischen Klang der ostdeutschen Traditionsorchester in Dresden und Leipzig - und die lieben ihn. Hier kann er mit dem großen sinfonischen Repertoire hantieren und lernen. Muss er auch, denn sein "offizielles" Debüt bei den Berliner Philharmonikern 2001 mit Schumanns 2. Sinfonie ging prompt ein wenig in die Hose. Die einen mögen seine pragmatisch hurtigen Notenerkundungen, andere finden ihn überschätzt. Bald debütiert er bei den Wiener Philharmonikern - mit Mahlers 10. Sinfonie.


In Amerika hat Harding in Los Angeles und Philadelphia orchestral Wurzeln geschlagen, schaut pro Saison noch bei ein bis zwei neuen Orchestern vorbei; etwas müde gewordene Schlachtrösser wie das New York oder das Boston Philharmonic stehen dabei am Ende der Liste. Und im Sommer gibt es Oper in Aix-en-Provence.


Am liebsten aber teilt Harding seine knappe Zeit mit den unabhängigen Kammerorchestern neueren Typs: Hier ist der Altersunterschied nicht so groß, ein Autoritätsproblem gibt es kaum, Tradition und Schlamperei sind - noch - Fremdworte. Nach drei Jahren im norwegischen Trondheim hat er seit 1999 in Bremen mit der Deutschen Kammerphilharmonie in harmonisch funkelnder Ehe gelebt (eine andere samt Tochter gibt es inzwischen auch). Man hat sich gegenseitig begeistert an Flexibilität und Freiheit, Neugier und Spielfreude. Ab Herbst steht er dem durchstartenden Mahler Chamber Orchestra vor.


Obwohl es sich medial nicht so niedergeschlagen hat, wie es sich der Orchesterintendant, der ehemalige Grammophon- und Sony-Manager Günther Breest, vorgestellt hat, war es für beide Seiten eine ungemein identitätsfördernde Zeit. Harding konnte einen gehörigen Schritt vorwärts tun, hat Repertoire gelernt und Führungsqualität. Das sich selbst verwaltende Orchester konnte nach seinem ersten Chef Thomas Hengelbrock mit diesem zupickenden Dirigentenküken sein Profil gehörig schärfen. Und im Hintergrund waltete der Agent Martin Campbell-White, der schon Simon Rattle zu Weltruhm führte. Die musikalische Welt hat diese Paarung lobend anerkannt und aufmerksam verfolgt, die Bremer aber haben sie geliebt. Bevor der Brite Harding, der - als jüngster Dirigent überhaupt - bereits 1996 bei den Proms debütierte, zu seinen letzten, eher zufällig englischen Kammerphilharmonien-Auftritten startete, gab es in Bremen, von 6000 ausrastenden Zuschauern auf dem Rathausmarkt verfolgt, eine "Last Night before the Proms", mit Papierhütchen und Fahnen, mit komischen Einlagen, Zugabenwünschen per Handy und viel Spaß. Kein Wunder, dass eine Bremer Fankurve in London dabei war.

Aufregend zu hören, wie Rameaus Opernsuite aus "Hippolythe et Aricie", die Märsche, Rondeaus, Furientänze sich auf den jeweiligen Konzertort einstellen. In The Maltings, der wunderbaren Mälzereischeune des Britten-Festivals im ländlichen Aldeburgh an der Küste Suffolks, klingen sie rund, vibratoreich mit klug terrassierter Dynamik. Im nivellierenden Klassik-Kolosseum der Albert Hall, konzentriert, spitz und spritzig. Für das Sibelius-Violinkonzert fehlt dem Orchester die satte Streicherauffüllung, doch Victoria Mullova macht das mit einem gelben Mullbindenjäckchen und aggressiver Attacke wett, die im Adagio fast wiederwillig einem schmeichelnd ruhigen Ton weicht. Und ein Kracher ist Beethovens 7. Sinfonie: gelenkig, rasant beschleunigt, nach einem tief ausgekosteten Allegretto-Satz, von Harding mit diszipliniert tänzelnder Attitüde steuernd beflügelt; vom Orchester auf fliegenden Bögen und mit locker artikulierenden Bläsern souverän davongetragen. Den explodierenden Jubel freilich konterkariert unerwartet eine leise Zugabe aus Weberns Fünf Stücken für Streichorchester.


Später, wie gesagt: Champagner für alle und eine launige, ein wenig sentimentale Rede. Dann zieht das schon wieder lachende Orchester, das im Herbst einen neuen, renommierten Chefdirigenten aus Nordosteuropa ernennen wird, weiter in eine Pizzeria. Schon ohne den alten Chef. Der muss am nächsten Morgen früh raus: Sein Mahler Chamber Orchestra wartet bereits in Luzern.


Andere Zeitungen

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Filmreihe
«Claudio Abbado»
15. - 19. August 2003


Im Rahmen der Kulturpartnerschaft LUCERNE FESTIVAL-ARTE werden im Rahmen von SOMMER 2003 und anlässlich des 70. Geburtstages von Claudio Abbado vier Filme über und mit dem Chef des LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA gezeigt.

Zwei der Filme (17. und 19.8.) werden in Luzern exklusiv als Avant-Première vor der Erstausstrahlung im Kulturkanal ARTE präsentiert.

Freier Eintritt

Freitag, 15. August, 22.00 Uhr
Kleiner Saal

Abbado Nono Pollini: Eine Kielspur im Meer

Ein Film von Bettina Erhardt und Wolfgang Schreiber

(BCE Film, 2000, 60')


Samstag, 16. August, 21.00 Uhr
Kleiner Saal

Europakonzert vom 1. Mai 2002 im Teatro Massimo, Palermo

Berliner Philharmoniker, Claudio Abbado, Gil Shaham, Violine

Werke von Beethoven, Brahms, Dvorak, Verdi

TV-Regie: Bob Coles; Produzent: Paul Smaczny

(NHK/VIDEAL/brilliant media)


Sonntag, 17. August, 21.00 Uhr Kleiner Saal

Claudio Abbado dirigiert Schubert I (2002)

Konzert zum 21. Jubiläum des Chamber Orchestra of Europe in der Cité de la musique Paris am 25.5.2002

Anne Sofie von Otter, COE, Claudio Abbado

TV-Regie: Andy Sommer

(ARTE France/Bel Air Media)

(40')


Dienstag, 19. August, 18.00 Uhr, Kleiner Saal

Claudio Abbado dirigiert Schubert II (2002)

Konzert zum 21. Jubiläum des Chamber Orchestra of Europe in der Cité de la musique Paris am 28.5.2002

Thomas Quasthof, COE, Claudio Abbado

TV-Regie: Andy Sommer
(ARTE France/Bel Air Media)
(40')




Letzte update

05/08/2003 News von Luzern
04/08/2003 Radio TV
14/07/2003 Editoriale
14/07/2003 Lettere di auguri a Claudio per il suo compleanno
14/07/2003 Classica TV (Ital) Juli -August

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