Wien: Das Publikum ist begeistert

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Claudio Abbado in Wien /a Vienna

Wien: Die Presse

Vienna: Critica del giornale: Die Presse

Die Presse, 21.Feb..



Der große Jubel bleibt, die Pianisten wechseln

Mit Maria Joao Pires und Jewgenij Kissin setzten Claudio Abbado und die Berliner Philharmoniker im Musikverein ihre Präsentation sämtlicher Beethoven-Klavierkonzerte und -Symphonien fort. Das Publikum zeigt sich weiterhin begeistert.
VON WALTER DOBNER


Vergleiche schärfen nicht nur, sie machen auch sicherer. War es im Vorjahr die Berliner Staatskapelle unter dem als Dirigent und Pianist auftretenden Daniel Barenboim, die sich diesem Beethoven-Projekt im Musikverein stellte, so sucht nun auch das andere Berliner Orchester diese Herausforderung. Gleichfalls unter der Stabführung seines Chefdirigenten - Claudio Abbado also -, aber mit fünf in ihrer künstlerischen Physiognomie durchaus unterschiedlichen Klaviervirtuosen.
Nach Martha Argerich, die den Reigen mit Beethovens zweitem Klavierkonzert eröffnet hatte, war mit der Portugiesin Maria Joao Pires eine ganz andersgeartete Künstlerin für Beethovens viertes Klavierkonzert engagiert. Nicht die Zurschaustellung entfesselter Brillanz ist ihr Metier. Ihr geht es vielmehr um eine subtile Hinterfragung des Notentextes, um das Aufspüren im Verborgenen schimmernder seelischer Stimmungen. Ein idealer Ansatz für Beethovens besonders lyrisches Klavierkonzert.

Das Leichtgewicht Egmont

Diesmal - beim zweiten Abend der Berliner Philharmoniker - erfüllte die introvertierte Solistin die Erwartungen nur zum Teil. Schon die einleitenden Takte des Konzerts bewältigte sie zu emotionsneutral, wartete auch in der Folge nur bedingt mit ihrer auf Feinnervigkeit konzentrierten Anschlagskultur auf. Auch ihre kantablen Antworten auf das härter artikulierte Spiel des Orchesters im folgenden Andante con moto fielen zu zaghaft aus, um daraus einen erfüllten Dialog zu entwickeln. Freigespielt hatte sich Pires erst im finalen Rondo. Hier überzeugte sie mit dynamisch fein schattiertem Passagenwerk und luzider Beschwingtheit. Ein Bild, das im übrigen Programm dieses Abends seine Entsprechung fand: Die "Egmont"-Ouvertüre erstand meisterhaft exakt, zu leicht und elegant, um die Dramatik des Sujets überspringen zu lassen. Dafür sorgte eine bis ins letzte Detail modellierte, im besten Gleichgewicht von selbstverständlicher Analyse mit gezügelter Emotion stehende siebente Symphonie, bei der das Orchester seine in allen Gruppen glänzende Verfassung brillant hervorkehrte, für einen mitreißenden Schluß. Auch beim dritten Beethoven-Abend geriet das Finalstück am eindringlichsten. Zumal Abbado die "Achte" mit höchster Transparenz, vorwärtsdrängender Energie und Lockerheit präsentierte, erneut fließender Weitbögigkeit den Primat vor prononcierten Akzenten einräumte. Ein Konzept, das der "Vierten" weniger anstand. Gewiß, auch hier zeigten die "Berliner", was alles in ihnen steckt, ließ Abbado keinen Zweifel, wie ernsthaft er sich in die neue Beethoven-Ausgabe von Norman del Mar vertieft hatte (ein Umstand, den das Programm verschwieg). In der Tempodramaturgie, im Setzen von Nuancen ging er zu wenig aus sich heraus, ließ er emotionale Bewegtheit etwas vermissen. Sie ist auch nicht unbedingt die Stärke des Pianisten Jewgenij Kissin, wie er mit seiner Deutung des dritten Klavierkonzerts darlegte. Bei aller technischen Bravour, mit der er seinen Part meisterte, bei aller Vitalität, mit der er die Ecksätze virtuos auffächerte - noch konzentriert er sich zu sehr auf Details, kokettiert mit sensibel eingeblendeten Rubati, läßt sich nicht von Beethovens ausladender lyrischer Rhetorik fesseln. Wie zum Beweis, daß ihm der motorisch-bewegte Beethoven stärker liegt, ließ Kissin sein enormes pianistisches Können, seine Klangpalette, seinen kauzigen musikantischen Witz beim berühmten "Wut über den verlorenen Groschen" aufblitzen. Nicht auszudenken, hätte er sich dem c-Moll-Konzert schon mit solcher Selbstverständlichkeit gewidmet.