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13. August 2005, Neue Zürcher Zeitung
Lucerne Festival
Mit Bruckner in neuem Land
Eröffnung mit dem Festival Orchestra und Claudio Abbado
Seit drei Jahren gibt es am Anfang von Lucerne Festival jeweils dieses ganz besondere Hinschauen und Entdecken. Den Blick übers Lucerne Festival Orchestra gleiten lassen und ausmachen, wer dieses Jahr mit von der Partie ist. Der Konzertmeister Kolja Blacher ist wieder da, in seiner Nähe Gerhard Schulz vom Alban-Berg-Quartett als Stimmführer der zweiten Geigen sowie Lukas Hagen und Rainer Schmidt vom Hagen-Quartett, das wieder in voller Besetzung mitmacht. In der Mitte ein cellistisches Gipfeltreffen mit der Stimmführerin Natalia Gutman, mit Franz Bartolomey, dem Solocellisten der Wiener Philharmoniker, Clemens Hagen und Valentin Erben von den Bergs. Und weiter geht es über die Bratscher Wolfgang Christ und Veronika Hagen zu Alois Posch, dem Solobassisten der Wiener, der auch diesen Sommer wieder die prominent besetzte Gruppe der Kontrabässe anführt.
Mitten unter all den Solisten, Kammermusikern und Spitzenkräften aus dem Mahler Chamber Orchestra: Claudio Abbado. Als Dirigent gibt er den Takt an, gewiss. Aber Karrieredenken, Machtambition und vorlaute Rechthaberei, was es noch immer gibt in diesem Beruf, hat der 72-jährige Italiener nicht nötig. Er steht da als Freund unter Freunden; den Blumenstrauss, den er am Schluss des mit stehender Ovation gefeierten Abends erhält, gibt er mit zwei Küssen an Natalia Gutman weiter. Das Musizieren in Freundschaft ist das eine Geheimnis des 2003 begründeten Lucerne Festival Orchestra, das Aufeinanderhören nach der Art der Kammermusik das andere. Nicht genug kann die Bedeutung dieses Ansatzes betont werden: für das berufliche Selbstverständnis des Dirigenten, für das Musizieren im Orchester - ja allgemein für das Lenken von Menschen auf ein gemeinsames Ziel hin. Da wird im weitesten Sinn Neuland beschritten.
Und es stösst auf Resonanz. Weit strahlt das Lucerne Festival Orchestra inzwischen aus; unentwegt treffen Anfragen für Gastspiele ein, bei den Salzburger Festspielen spricht man davon, und Anfang Oktober kommt es nun zu einem ersten Auftritt ausserhalb von Luzern: in der Accademia di Santa Cecilia in Rom, im neuen Konzertsaal von Renzo Piano also - die Karten sollen innert weniger Stunden verkauft gewesen sein. Die Qualität ist eben durchaus zu hören, und zu erleben ist eine ganz besondere Intensität in der Verwirklichung des musikalischen Moments. Auch bei so etwas vergleichsweise Alltäglichem wie Ludwig van Beethovens Klavierkonzert Nr. 3, c-Moll, mit dem das erste Sinfoniekonzert von Lucerne Festival 2005 anhob. Mächtig der Klang, aber nicht mit titanischer Geste vollzogen, sondern ausgeformt bis ins Letzte und darum von vibrierender Energie erfüllt. Der Pianist Alfred Brendel antwortete darauf mit einer da und dort vielleicht etwas manierierten, auch nicht restlos sicheren, aber nach wie vor sehr persönlichen Auslegung des Soloparts.
Hauptstück dieses Eröffnungsabends (und nach dem Bruckner-Zyklus im Rahmen der Zürcher Festspiele nicht ohne Spannung erwartet) war aber die Sinfonie Nr. 7 in E-Dur von Anton Bruckner. Ob diese Aufführung noch besser war als die Sternstunde, die das Tonhalle-Orchester Zürich mit Bernard Haitink erreicht hat (vgl. NZZ vom 21. 6. 05) - das ist darum nicht die Frage, weil es sich hier um eine ganz anders gelagerte Wiedergabe handelte. Weich und kantabel, bisweilen gespannt drängend, jederzeit aber erfüllt von der Wärme des Gefühls, so geht Abbado die Musik Bruckners an, und das verleiht seinen Deutungen die unverkennbare Kontur. Auch da zeigt sich, um an das Motto von Lucerne Festival 2005 zu erinnern, ein Stück Neuland, denn in dieser Weise wird Bruckner noch nicht lange gespielt.
Geschmeidig steigt das erste Thema des Kopfsatzes nach oben, und ganz natürlich ergiesst es sich später in den Dreiklang der Hörner. Kräftig, fast dramatisch belebt Abbado das zweite Thema, bei dem der Flötist Jacques Zoon, der Oboist Albrecht Mayer und die Klarinettistin Sabine Meyer erstmals für betörende Akzente sorgen. Im dritten dagegen betont der Dirigent die dunklen Farben und führt das Orchester zu einem Pianissimo von unwirklicher Schönheit. Im Adagio brillieren nicht nur die Tuben und die Hörner, sondern auch die hohen Streicher mit ihrem Seidenglanz und die neun Kontrabässe mit ihrer fundamentalen Wucht, und mit dem Beckenschlag auf dem Höhepunkt bricht ein Tutti von ebenso gerundeter wie strahlender Kraft aus. Wuchtig und dennoch elegant das Scherzo, schwer und gleichwohl beweglich das Finale - beispielhaft war das und zutiefst bewegend.
Peter Hagmann
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NZZ 2 (2 u.3.Konzerte) | |
NZZ 1 (Bruckner) | |
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