WANDERER'S 
ERZÄHLUNGEN Nr.6

 DIE BOTTEGA DER MEISTERSINGER


14. August
19.30 Uhr

Wagner: Die Walküre
Wotan'Abschied und Schlussszene
Debussy:  Le Martyre de Saint Sébastien, suite
Debussy: La Mer,
trois esquisses symphoniques

Bryn Terfel
Rachel Harnisch
Eteri Gvazava

Schweizer Kammerchor
Lucerne Festival Orchestra

CLAUDIO ABBADO


17. August
18.30 Uhr

Bach
Brandeburgische Konzerte Nr1 - 6 BWW 1046-1051

Mitgleider des
Lucerne Festival orchestra

CLAUDIO ABBADO


19 & 20 August
19.30 Uhr

Mahler
Sinfonie
Nr.2
"Auferstehung"

Eteri Gvazava
Anna Larsson

Orfeón Donostiarra
Lucerne Festival Orchestra

CLAUDIO ABBADO


























































































 


herum...


Die „Bottega“ (Werkstatt) der Meistersinger

Das Lucerne Festival wurde mit einer Woche voller Kammerkonzerte, Symphoniekonzerte und Proben eröffnet: diese Fülle von Erlebnissen ist der Initiative Claudio Abbados zu verdanken, der die Crème de la Crème der europäischen Musikergilde, in der Hauptsache Freunde, an die Ufer des Vierwaldstättersees eingeladen hat.

Nach diesem Initialfeuerwerk verlief das Festival bis zum 20. September in seinen gewohnten Bahnen weiter, luxuriös, aber weniger einzigartig im Programm.

Einige Zeitungen haben darauf hingewiesen, daß die diesjährige Auftaktwoche das Image des bisher eher traditionellen Festivals doch sehr verändert hat.

Bereits die Übernahme des Festivals durch den jungen Intendanten Michael Haefliger und der Umzug in das neue Kultur- und Kongresszentrum brachte dem Festival einen ersten frischen Wind. Die Verbrüderung des initiativen Geistes des jungen Intendanten mit den Ideen Claudio Abbados haben diesen Wandel nun vollends in Schwung gebracht.

Die Presse hat dieses Ereignis ausführlich kommentiert und wiederholt deutlich gemacht, daß nur Abbado ein derartiges Orchester ins Leben rufen konnte, nämlich indem er Musiker ersten Ranges aus ganz Europa einlud mitzumachen.

Es lohnt sich an dieser Stelle ein wenig genauer auf diese ‚kleine Revolution’ (wie es so schön in der spanischen Presse genannt wurde) einzugehen.

Bernard Haitink, der kürzlich einen Kommentar zur Krise der Klassischen Musik abgab, bemerkte in einem Interview, daß es zweifelsohne zu viele Konzerte gäbe und daß das Überangebot die Qualität beinträchtige und verwässere.

Ebenso wurde über die Kommerzialisierung der Kultur ausgiebig geschrieben. Aber man muß sich doch fragen, ob das neue Lucerne Festival Orchestra jemals das Licht der Welt erblickt hätte, wenn es keinen Sponsor wie Nestlé gegeben hätte.

Neben Salzburg ist Luzern das einzige europäische Festival, wo sich Musiker und Orchester in so großer Zahl einfinden. Hinter den meisten anderen Festivals stehen feste Institutionen oder Orchester (Radio France Montpellier), oder sie widmen sich ausschließlich ausgewählten Sparten wie der Kammermusik, der Oper oder einer bestimmten Instrumentengattung.

Und dennoch wirft die Geburt des Lucerne Festival Orchestra ein neues Licht auf Luzern.

Auf der einen Seite sind die außergewöhnlichen Fähigkeiten der Solisten und die Qualität der Programme hervorzuheben. Die Begeisterungsstürme, die die Konzerte sowohl beim Publikum als auch bei der europäischen Presse hervorriefen, werden dem Lucerne Festival sicherlich ein neues Publikum erschließen.

Andererseits ist dieser Erfolg der Kombination zweier Denkansätze zu verdanken, die dem üblichen Grundgedanken vieler Festivals entgegenstehen:

-Musik in all ihren Facetten auszuüben: solistisch, in Kammerformationen oder symphonisch

und

- gute Musik mit Musikern zur Aufführung zu bringen, die wissen, wie man zusammen musiziert und die sich gegenseitig als Partner erkoren haben

Das Charisma Claudio Abbados hat zwar eine Reihe hervorragender Musiker angezogen, aber der Erfolg kam interessanterweise nicht aufgrund der üblichen Spielregeln zustande.
Es kam nicht von ungefähr, daß sich einige mutlose Geister darüber echauffierten, daß das Lucerne Festival Orchestra ja eigentlich gar kein richtiges Orchester sei.
Ein traditionelles Orchester ist gänzlich anderen Restriktionen (Suche nach Abonnenten, gewerkschaftlichen, tarifvertraglichen Bestimmungen, etc.) unterworfen, die ein freies und unabhängiges Musizieren sehr erschweren. Ein Abend mit einzig Debussy auf dem Programm ist eher selten ausverkauft und auch in Luzern waren es anfangs nur der Abend mit Mahlers Zweiter Symphonie, der sich bereits zu Anfang relativ gut verkaufte.
Claudio Abbado ist in all den Jahren, in denen wir ihn nun so aufmerksam verfolgt haben, nach wie vor gleichzeitig ein Künstler und ein Mann des Theaters.
Er hat Theaterblut in den Adern, ist ein großer Dirigent und hat immer den einzigartigen, unwiederbringlichen Augenblick der Aufführung vor Augen.

Ein Dirigent, der Musik und nicht einzelne Noten zur Aufführung bringt, der Musik spürbar macht, Ideen vorgibt, aber selten erklärt. Diesen Umstand nehmen einige Leute zum Anlaß, Abbados Probenpraxis zu kritisieren. Es sind jene Kritiker, die vom Dirigenten genaue Vorgaben erwarten, Erklärungen, Rechtfertigungen, präzise Anordnungen.

Die Tatsache, daß Abbado sich auf den Augenblick der Aufführung konzentriert, führt dazu, daß jedes Konzert seinen eigenen Charakter entwickelt, oft auch zur Überraschung der Musiker selbst. Einige von ihnen haben hierbei manchmal das Gefühl ‚abzuheben’, wie Georg Faust (Cello) es so gerne bezeichnet. Eine Live-Aufführung ist per definitionem einzigartig. Sie entsteht und vergeht im gleichen Augenblick, sie ist unwiederbringlich und nicht wiederholbar.

Auch wenn man die Zweite Symphonie von Gustav Mahler innerhalb von 2 Tagen dreimal (unter Berücksichtigung der Generalprobe) zu hören bekommt, dann klingt sie niemals gleich, hinterläßt nie ein und den selben Eindruck und verursacht daher beim Publikum auch immer unterschiedliche Reaktionen.

Das gleiche könnte man vom Lucerne Festival Orchestra sagen: das Orchester ist für einen bestimmten kurzen Augenblick vielleicht das beste Orchester der Welt, im nächsten Augenblick allerdings schon wieder verschwunden und für ein Jahr in alle Winde zerstreut – vergleichbar einer Fatamorgana.
Aber das ist auch gut so: Claudio Abbado weiß, daß es höchst gefährlich wäre, den momentanen Zauber zur Dauerinstitution werden zu lassen.

Der Zauber entfaltet seine Wirkung hinsichtlich Herz und Geist nur, wenn er von kurzer Dauer und einzigartig ist und nicht zur Gewohnheit wird.

Die Kürze dieses Zyklus ist somit auch einer der Erfolgsfaktoren. Man kann es mit einer Explosion vergleichen, der anschliessend für ein Jahr „Die Stille nach der Musik“ folgt, ausgenommen die geplanten Tourneen, die aufgrund der ihnen innewohnenden logistischen Herausforderungen allerdings handverlesen sein werden.

Ein weiteres Charakteristikum dieses Orchesters ist, daß es, dem Abbado-Effekt sei dank, sehr jung und engagiert ist. Es war eine Freude mitzuerleben, wie die Musiker auf der Stuhlkante saßen, mit ihren Instrumenten eins wurden und alles an Können, Engagement und Hingabe gaben, was in ihnen war. Für Abbado ist dies eine unabdingbare Voraussetzung.

Die jungen Musiker haben den unschätzbaren Vorteil, daß sie noch nicht von (schlechten) Gewohnheiten wie Repertoireprogrammen und Orchesterroutine verdorben sind. Sie sind noch offen für Neues, haben Interesse auszuprobieren und zu lernen und sind daran gewohnt, unter „Claudio“ zu spielen.
Aber auch die etablierten Solisten und bereits pensionierten Orchestermusiker (wie jenen Ex-Berliner Philharmonikern) sind bereit, ein Bad in diesem Jungbrunnen zu nehmen. So sind zum Beispiel Künstler wie Natalia Gutman, die den Rang einer ‚einfachen’ Orchestermusikerin einnimmt, oder die Mitglieder des Hagen Quartetts oder des Ensembles Sabine Meyer, oder die Gebrüder Capuçon, zu einem solchen Abenteuer bereit, weil sie wissen, daß dieses Abenteuer sie mit einer neuen, einzigartigen Erfahrung bereichern wird.
Die wahre Freundschaft, die unter diesen Musikern herrscht, stammt aus der gegenseitigen künstlerischen Wertschätzung.
Im Rahmen eines Festivals bedeutet zusammen zu musizieren auch, dem Publikum Zugang zu den Proben zu geben und die besondere Atmosphäre, die dort herrscht, für das Publikum erlebbar zu machen. Der überraschenderweise gestattete Zugang zu den Proben, für Claudio Abbado eigentlich typisch, gab diesen ersten Tagen des Festivals ein ganz besonderes Flair. Claudio Abbado weiß, daß Leute, die gerne Proben beiwohnen, an der Sache höchst interessiert sind und diesen Umstand hoch zu schätzen wissen und sich dementsprechend verhalten. Abbado ist sich auch bewußt, daß er auf diese Weise jungen Zuhörern und Studenten einen Zugang zur Musik ermöglicht, der ansonsten ausserhalb der Möglichkeiten dieser Publikumgruppe liegt. Genau hierin liegt der Grundstein, um zwischen Musikern und Publikum eine Verbindung herzustellen und so ein gemeinsames Erlebnis zu ermöglichen.

All diese Umstände rechtfertigen es, Claudio Abbado als Meister seines Faches zu bezeichnen, obwohl gerade er es ungern hört mit „Maestro“ angesprochen zu werden.
Meister nicht im herkömmlichen Sinne des Wortes, sondern weil Abbado nie aufhört, uns Neues zu lehren. Ob Musiker oder Zuhörer, niemand kommt aus Abbados Konzerten heraus, ohne etwas gelernt zu haben. Er ist ein Meister, weil er es schafft, gleichzeitig junge Leute, arrivierte Künstler und das breite Publikum anzuziehen. Und er ist ebenfalls ein Künstler im mittelalterlichen Sinne des Wortes, der seine „Bottega“ (Werkstatt) in Luzern eröffnet hat: ein Atelier, wo Kunstwerke in Einzelarbeit und im Kollektiv erarbeitet werden und wo der Meister dem Ganzen nur noch den letzten fehlenden Pinselstrich verleiht. Dieses Orchester (und die ganze damit in Zusammenhang stehende Erfahrung) erinnern einen sowohl an die italienische Tradition einer „Bottega“, aber auch an die deutsche: eine Art Bruderschaft von Meistersingern, die ihren Walther gefunden haben, einen jungen Mann von 70 Jahren. Diese beiden europäischen Traditionen, die hier vereint wurden, bringen uns zurück an die Schwelle der Renaissance.






































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14/07/2003 Editorial
14/07/2003 Briefe für Claudio's Geburtstag
14/07/2003 Classica TV (Ital) Oktober

Zeitungen

Le Figaro(Fr.)
The New York Times (USA, angl.)
Berliner Zeitung(Alld.)
Badische (Alld.) Zeitung
Die Welt(Alld.)
Der Tagesspiegel(Alld.)
Der Tagesspiegel(2)(Alld.)
Die Welt(2)(Alld.)
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Le Monde(Fr.)
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Corriere della Sera(2)(Ital.)
Corriere della Sera(3)(Ital.)
La Repubblica (1) (Ital.)
Il Messaggero (1) (Ital.)
Il Messaggero (2) (Ital.)








Filmreihe
«Claudio Abbado»
15. - 19. August 2003


Im Rahmen der Kulturpartnerschaft LUCERNE FESTIVAL-ARTE werden im Rahmen von SOMMER 2003 und anlässlich des 70. Geburtstages von Claudio Abbado vier Filme über und mit dem Chef des LUCERNE FESTIVAL ORCHESTRA gezeigt.

Zwei der Filme (17. und 19.8.) werden in Luzern exklusiv als Avant-Première vor der Erstausstrahlung im Kulturkanal ARTE präsentiert.

Freier Eintritt

Freitag, 15. August, 22.00 Uhr
Kleiner Saal

Abbado Nono Pollini: Eine Kielspur im Meer

Ein Film von Bettina Erhardt und Wolfgang Schreiber

(BCE Film, 2000, 60')


Samstag, 16. August, 21.00 Uhr
Kleiner Saal

Europakonzert vom 1. Mai 2002 im Teatro Massimo, Palermo

Berliner Philharmoniker, Claudio Abbado, Gil Shaham, Violine

Werke von Beethoven, Brahms, Dvorak, Verdi

TV-Regie: Bob Coles; Produzent: Paul Smaczny

(NHK/VIDEAL/brilliant media)


Sonntag, 17. August, 21.00 Uhr Kleiner Saal

Claudio Abbado dirigiert Schubert I (2002)

Konzert zum 21. Jubiläum des Chamber Orchestra of Europe in der Cité de la musique Paris am 25.5.2002

Anne Sofie von Otter, COE, Claudio Abbado

TV-Regie: Andy Sommer

(ARTE France/Bel Air Media)

(40')


Dienstag, 19. August, 18.00 Uhr, Kleiner Saal

Claudio Abbado dirigiert Schubert II (2002)

Konzert zum 21. Jubiläum des Chamber Orchestra of Europe in der Cité de la musique Paris am 28.5.2002

Thomas Quasthof, COE, Claudio Abbado

TV-Regie: Andy Sommer
(ARTE France/Bel Air Media)
(40')

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