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27.04.2006 Claudio Abbado in Wien Das Konzert konnte erst mit einer kleinen Verzögerung beginnen, so ausdauernd und herzlich empfing das Wiener Publikum am Dienstag Claudio Abbado. Er ist in Wien, wo er so lange und prägend wirkte, ziemlich unterbeschäftigt, seit die Einladungen der Wiener Philharmoniker nicht mehr seinen Briefkasten finden. Umgekehrt hat sich Abbado nach seiner schweren Erkrankung selbst zurückgenommen. Ein ärztlicher Ratschlag wird auch angegeben als Grund, warum Abbado seine beiden Salzburger Konzerte bei Pfingsten+Barock storniert hat. Die Krankheit hat Abbado zwar gezeichnet, dennoch zeigte sich der 72-Jährige ohne jegliche Beeinträchtigung, als es darum ging, zwei schwere Kaliber der Spätromantik im ausverkauften Musikvereinssaal zu stemmen. Das Gustav Mahler Jugendorchester, als dessen Mitbegründer Abbado 1986 zumindest kulturell den Eisernen Vorhang überbrückte, ist nur eines "seiner" Jugendorchester. Weniger bekannt ist, dass Abbado auch in Venezuela das dortige Jugendorchester, ein wunderbares soziokulturelles Projekt, unterstützt. Dirigentenkollege Daniel Barenboim wiederum gründete das West-Eastern-Divan-Orchestra mit jüdischen und palästinensischen Jungmusikern. Wozu der lange "Vorspann"? In Wien stand eine Hundertschaft von hochmotivierten und glänzenden Musiktalenten auf der Bühne, zusammengeholt aus allen drei Orchestern. Der fabelhafte Konzertmeister Raphael Christ etwa kommt vom GMJO, daneben geigt Dirigentensohn Michael Barenboim (West-Eastern-Divan-Orchestra), einen der Kontrabässe streicht beherzt Johanee Gonzalez Seijas, Venezuela. Das geht zu Herzen. "Pelleas und Melisande" und Mahlers Vierte, fast wie Ostern 2006 in Salzburg. Dennoch war alles anders, nicht nur, weil Schönbergs symphonische Dichtung statt Debussy zu hören war. Abbado fand im schwelgerischen melodischen Fluss zwischen flirrender Erotik, mörderischer Gewalt und Aussichtslosigkeit dramatische Wucht. Mahlers 4. Symphonie wiederum klang fast immer fröhlich und hell, jugendfrisch, knapp an der Oberfläche, fast wie ein Schelmenstück. Juliane Banse besang das "Himmlische Leben" mit warm getöntem Sopran. Standing Ovations, was sonst.eStro
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