SALZBURG 2001

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Salzburg 2001

Premiere Kritiken (2)

Zwei Kritiken aus der Bonner Zeitung

Bonner Zeitung 9. April 2001

Salzburger Festspiele eröffneten mit "Falstaff"
Krabbeln aus dem Orchestergraben

Von Olaf Weiden
Salzburg. Vorösterlicher Schnürlregen und Festtagsstimmung in Salzburg: Am Samstag eröffnete die Premiere der Verdi-Oper "Falstaff" die Osterfestspiele.

Traditionell gehört die Breitwandbühne bzw. der proportional breitere Graben im Großen Festspielhaus den Berliner Philharmonikern, ein letztes Mal unter ihrem Chef Claudio Abbado, der auch künstlerischer Leiter der Osterfestspiele ist.

Und die Koproduktion mit den Salzburger Festspielen war gleichfalls ein erster Abschiedsgruß des Direktorengespanns Gérard Mortier und Hans Landesmann.

Verdis letzte Oper bietet besonders im 100. Todesjahr des Komponisten eine mehr als heitere Musik für eine große Abschiedsszene. Und Aufbruchstimmung sollte bestimmt auch die Wahl des kreativen Teams verbreiten:

egisseur Declan Donnellan und Ausstatter Nick Ormerod gaben als eingespieltes Team ihren Einstieg in Salzburg, nachdem sie durch unkonventionelle Shakespeare-Inszenierungen ihrer Theatergruppe "Cheek by Jowl" und letztlich mit "Troilus und Cressida" am Burgtheater Erfolge feierten.

Und auch der Salzburg-Liebling Bryn Terfel hätte mit jugendlicher Kraft sicher einen besonderen "alten, dicken und impotenten" (Regievorstellung) Sir John Falstaff abgegeben - hätte, weil er auch schon in München den Falstaff abgeblasen hat.

Jetzt hat Salzburg einen Routinier gebucht: Ruggiero Raimondi trug das Hirschgeweih schon über alle bedeutenden Bühnen der Welt. Und er beherrscht sein Fach perfekt: Komisch, "sportlich", neckisch, tölpelhaft und geil vergisst er niemals seine mächtige und gleichermaßen samtige Stimme exakt und schlank zu führen.

Terfel könnte diese Rolle nicht besser singen - nur frischer, frecher, unkonventioneller. Denn das bot die Inszenierung nicht. In einem herrlichen naturalistischen Bühnenbild, das vehement aus allen Richtungen zusammenflog und wieder explodierte, entstand die Schänke und die Küche, der Park auf verschiedenen Prospekten war stets vorhanden.

Diese Bilder füllten die hervorragenden Sänger des Ensembles, Lucio Gallo als Ford, der vor Eifersucht Galle spuckt, das bezaubernde Damenquartett unter der Regie seiner Frau (Carmela Remigio), ein exquisiter Fenton (Massimo Giordano) und ein rührendes Feenballett in der Schlussszene. Auch das finale Festbankett in Abendmahlposition war bombastisch für das Auge.

Nach Falstaffs Fenstersturz krabbelte er aus dem Orchestergraben, wo das Festmahl für die Ohren saß. Selten tönte es so markant aus dem Operngraben.

Abbado ließ sein Orchester funkeln und krachen, aber es verdeckte nicht, es verschmolz mit den starken Stimmen auf der Bühne. Wenn es in den komplizierten Ensembleszenen premierenspezifisch auf der riesigen Bühne wackeln wollte, zog er die Zügel an, um zu korrigieren, was stets gelang.

Er ließ sich vom angeregten Publikum im Schlussapplaus noch über Raimondi heben, was den teilweise ruppigen, aber sinnvoll aufrührenden Orchesterattacken gerecht wurde.

Es wird ein spannender Vergleich, wenn diese Inszenierung im Sommer mit ausgewechselten Protagonisten und den Wienern unter Maazel anläuft - die Ostermannschaft hat gut vorgelegt.



Giuseppe Verdi
Falstaff -
European Festival Chorus
Regie: Declan Donnellan
Bühnenbild und Kostüme : Nick Ormerod

Sir John Falstaff: Ruggero Raimondi
Ford: Lucio Gallo
Fenton: Massino Giordano
Dr. Cajus: Enrico Facini
Bardolfo: Antony Mee
Pistola: Anatoli Kotscherga
Mrs Alice: Ford Carmela Remigio
Nanetta: Dorothea Roschmann
Mrs Quickly: Larissa Diadkova
Mrs Meg Page: Stella Doufexis

Berliner Philharmoniker
Dirigent: Claudio Abbado

Bonner Zeitung 11 April 2001

Festspiel-Konzerte der Berliner Philharmoniker
Mit Beethoven auf Wolke sieben

Von Olaf Weiden

Die Osterfestspiele in Salzburg setzen in diesem Jahr im Konzertbereich einen Beethoven-Akzent. Zwei komplette und reine Beethovenprogramme spielen Claudio Abbado und seine Berliner Philharmoniker, als Gast weitet Zubin Mehta mit Werken Mozarts und Bruckners besonders für die Abonnenten den sonst engen Rahmen.

Frank Peter Zimmermann hatte in diesem Konzert die Aufgabe übernommen, Mozarts Violinkonzert KV 218 zu interpretieren. Zubin Mehta dirigierte eine abgespeckte Philharmonikerschar eher beiläufig, er ließ den Mozart rennen, wie Zimmermann ihn vorgab. Dieser spielte das Paradestück wie auf dem Hochseil: völlig routiniert, sachlich, mit kalkulierter Hingabe, so, als sei Mozarts Konzert irgendwie sauer auf die Burgstadt an der Salzach.

Zimmermann - das wissen die Kölner - intonierte perfekt mit herrlichem Ton, aber reserviert. Als Zugabe ehrte er Bach, der verewigt auf dem "Bach-Würfel" in den Konditoreien Salzburgs der Mozartkugel den Kampf angesagt hat.

Bruckners "Romantische" passte hervorragend in die Ritterburgszenerie der Stadt: Der Weckruf des Horns im mittelalterlichen Städtchen verwandelte die Naturbilder eilig in Zauberklänge aus Wagners Sagenwelt, Mehta steigerte die dynamischen Wallungen der tremolierenden Streicher bis zur Leistungsgrenze. Eine wirklich geschlossene Form über die Gesamtlänge des sinfonischen Riesen wurde aber nicht spürbar.

Anders am Vorabend: Der nach schwerer Krankheit ausgemergelte, aber sehnig kraftvoll auftretende Claudio Abbado musizierte mit seinem alten Freund Maurizio Pollini Beethovens 5. Klavierkonzert. Beide betraten mit ausdruckslosen Mienen die Bühne, schritten wie zu einer Entscheidung: Diese fiel in jedem Fall zu Gunsten des Bonner Meisters aus. Pollini spulte die Kadenz des ersten Satzes technisch wie eine unfehlbare Walze ab, aber mit Wärme und Gewichtung jeder Note als Kostbarkeit im Universum. S

eine Finger blieben absolut beherrscht, glitten leicht über die Tasten. Seine chromatischen Läufe verschmolzen beinahe zu Glissandi. Der große Pianist betreut in Salzburg auch eine Reihe mit zeitgenössischer Musik, mit Auftragskompositionen der Zeit, in diesem Jahr immer wieder im Dialog mit Beethovenwerken.

Erinnerungen an Karajan geweckt In Beethovens Siebter, nach Wagner die "Apotheose des Tanzes", zischelten manche Hörer die Rhythmik mit, andere vergruben ihr Haupt in den Händen und stöhnten orgiastisch bei den schönsten Stellen - das stört weniger als die in Köln üblichen Hustenkanonaden, erhöht aber nicht den Hörergenuss. Grund war, das Abbado und sein Orchester tatsächlich abhoben, in eine Welt des blinden Verständnisses, in traumhafte Ausgewogenheit.

Abbado schwebte mit einem imaginierten Lorbeerkranz auf einer dicken Trittwolke, dem Zuhörer schwebten alte Bilder mit dem scharf geschnittenen Künstlerhaupt Karajans durch den Sinn, der Geist einer überwältigenden Tradition wurde spürbar. Als schon kein Musiker mehr auf der Bühne stand, stellte sich Maestro Abbado nochmals dem nicht enden wollenden Applaus des Publikums.