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Lucerne Festival
Bewegender Klang, pulsierendes Leben
Mahlers Sechste mit dem Festivalorchester und Claudio Abbado
Ein letzter Aufschrei, ein allerletztes Verdämmern - und dann diese gespenstische Stille: minutenlang, so schien es. Endlich der Ausbruch jubelnden Beifalls, standing ovations für das Lucerne Festival Orchestra und seinen Dirigenten Claudio Abbado, der vor mitreissender Energie gesprüht hatte. Die Sinfonie Nr. 6 von Gustav Mahler, mit der - nach der Zweiten 2003, der Fünften 2004 und der Siebten 2005, die jetzt auf DVD erschienen ist - die diesjährige Sommerausgabe von Lucerne Festival eröffnet wurde, hatte zu einer bewegten und darum bewegenden Wiedergabe gefunden. 2000 Menschen sollen die Übertragung auf eine Grossleinwand vor dem KKL mitverfolgt haben.
Das Lucerne Festival Orchestra tritt diesen Sommer in etwas modifizierter Besetzung an. Vom Hagen-Quartett und vom Alban-Berg- Quartett ist diesmal nur mehr der Cellist Valentin Erben dabei, und die Wiener Philharmoniker haben gerade noch ihren Solobassisten Alois Posch freigestellt. Geblieben sind das Bläserensemble der Klarinettistin Sabine Meyer und so distinguierte Solisten wie der Konzertmeister Kolja Blacher, Wolfram Christ als Stimmführer der Bratschen, die Cellistin Natalia Gutman oder der Solo-Trompeter Reinhold Friedrich. Und dazugekommen sind, neben den Mitgliedern des Mahler Chamber Orchestra, zahlreiche erfahrene Orchestermusiker, darunter auch vier Vertreter des Tonhalle-Orchesters Zürich.
Unverändert ist auch das von Abbado in diesem Projekt verfolgte Prinzip des orchestralen Tuns im Geist der Freundschaft und der Kammermusik. Mag sein, dass diese Aufführung der Sechsten Mahlers nicht ganz so präzis gelang wie jene, die Abbado 1995 mit den Berliner Philharmonikern noch in den Luzerner Meili-Bau gebracht hatte. Und auch nicht wie jene, mit der er 2004 seine Rückkehr in die Berliner Philharmonie begangen hat. Aber der emotionale Ausdruck war von einer Intensität, wie sie nur Abbado gelingt. Das Andante war an die zweite Stelle gerückt und der dritte Hammerschlag im Finale weggelassen, was nicht nur der Fassung letzter Hand entspricht, sondern auch den von Alma Mahler hergestellten biografischen Kontext, mithin die Charakterisierung der Sinfonie als «Tragische» relativierte. Mehr noch als von Schicksalsschlägen sprach das Stück in dieser Auslegung von Frühlingsstürmen (im Kopfsatz) und (im Andante) von inniger Liebe. Und dies in jener Grandiosität, die Mahler eigen ist und die in einem Raum wie dem Luzerner Konzertsaal zu einzigartiger Wirkung findet.
Vorausgegangen war ein Auftritt von Cecilia Bartoli mit vier Arien von Wolfgang Amadeus Mozart. Gewiss kann man Mängel monieren; kräftig, gar laut ist die Stimme nicht mehr, und die Linien lassen die klare Zeichnung vermissen, sie erhalten durch das starke Vibrato vielmehr etwas ausfransende Kontur. Aber in der Auslotung des Leisen und, vor allem, in der Meisterung der Koloraturen sucht die italienische Mezzosopranistin nach wie vor ihresgleichen. Beides war schon in der Konzertarie «Chi sa, chi sa, qual sia» (KV 582) zu hören, vollends dann aber in «Parto, parto, ma tu ben mio», einer Arie aus «La clemenza di Tito», an der Sabine Meyer mit konzertierender Bassettklarinette mitwirkte.
Zum Höhepunkt wurde indes die Motette «Exsultate, jubilate» (KV 165), wo auf ein ganz schlichtes Andante ein «Alleluia» folgte, dessen messerscharfe Koloraturen geradewegs Rückenschauer auslösten. Das Orchester sass in kleiner Besetzung auf dem Podium, und Abbado zeigte, wie sich mit wenig Aufwand jenseits der Ideologien ein spannendes Mozart-Klangbild erzeugen lässt. Da konnte denn die Zugabe mit «Voi che sapete», der Arie des Cherubino aus «Le nozze di Figaro», nicht ausbleiben.
Peter Hagmann
Le Monde (Mahler VI) | |
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