SALZBURG 2002

Die Artikel der Presse über Parsifal (Salzburg 2002).

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Salzburg 2002

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Oberösterreichische Nachrichten 25.März 2002


SALZBURG: "Parsifal" in Steins Regie zum Abschied Claudio Abbados von den Osterfestspielen

Happy End im Mumien-Speicher

Nach fünfeinhalb Stunden brutto die Erlösung: Amfortas' Wunde schließt sich, Kundry geht in die Ewige Seligkeit ein, Happy End. Parsifal machte es möglich.

Salzburgs Osterfestspiele 2002, das Hauptereignis. Mit diesem (und zwei Orchesterkonzerten) verabschiedet sich Claudio Abbado nicht nur (Salzburg-bezogen) als Chef der Berliner Philharmoniker, sondern auch als künstlerischer Leiter des Frühjahrs-Festivals an der Salzach. Beide Funktionen hat ab 2003 Simon Rattle inne.

Ein Abschied, der am Samstag bei der Erstaufführung des Wagnerschen "Parsifal" in der Regie von Peter Stein mit dem Bühnenbild von Gianni Dessi im Großen Festspielhaus von wütenden Protesten durchsetzt war. Nicht für Maestro Abbado - für den gab es Standing Ovations - sondern für die Regie. Man soll auch den Stein nicht vor dem Abend loben. Die Ankündigung, der überragende Theater-Profi nehme sich des "Parsifal" an, ließ den Hoffnungspegel hochschießen. Nun sei wohl Schluss mit der ununterbietbaren Fadesse, es würden sich faszinierende, an- und aufregende Aspekte in der Auslotung des Musikwerkes ergeben.

Der zwischen abendländisch-nordischer, christlich-heidnischer und in Anklängen fernöstlicher Mystik und Mythik schwappenden Philosophie um Leid und Erlösung, um den Kampf zwischen Finsternis und Licht ist wohl schwer beizukommen mit theatralischen Mitteln. Was aber nun: Der tumbe Jüngling Parsifal tritt auf wie ein Kontorist des 19. Jahrhunderts, der im zipfenden Arbeitsmantel seine Mittagspause im Wald verbringt und dort Unfug treibt. Er wird in die Gralsburg verbracht, in deren Kuppelgewölb' es mehrzeitlich optisch und dynamisch zugeht wie in einem Sizilischen Mönchs-Mumienspeicher.

Klingsors Zaubergarten ist das kniehohe Modell eines barocken Schloßpark-Labyrinths mit Buchsbaum-Hecken, über das die Blumenmaiden hurteln, die wirken wie eine Novizinnen-Gruppe auf Gemeinschaftsausflug und es im Übrigen mehr auf einander als auf den jungen Tumben abgesehen zu haben scheinen. In feierlichen Abschnitten wabert und duftet es im Auditorium wie im Dom beim Hochamt.


Das reibt sich mit der Musik

Peter Stein hat im Vorfeld zu der Aufführung verlauten lassen, er habe mit Wagner eigentlich nicht viel am Hut. Das merkt man. Aber man merkt auch Unsicherheit. Denn das Ganze mit der ohnehin latenten Gefahr, in salbungsvolle Heuchelei zu verfallen, konsequent zu ironisieren à la Neuenfels ("Fledermaus", Sommerfestspiele 2001), das nun wollte Stein auch wieder nicht. Doch gerade durch den Kontrast von zuweilen fast peinlich überdeutlichem Herausarbeiten der christlichen Symbolik samt der damit verbundenen Botschaft und anderseits eingesprengten karikierenden Elementen ergibt sich ein Widerspruch, und das reibt sich auch mit der Musik. Mit Operettenmelodien lässt sich szenisch schmissig umgehen. Mit der Wagner-Tonwelt nicht. Außer man macht konsequent einen Anti-"Parsifal".


Bruchloses Spektrum

Dabei gibt es im Einzelnen, für sich gesehen, wunderbare Lösungen, an denen das Licht-Design von Joachim Barth wesentlichen Anteil hat. Das erste Bild des dritten Aufzugs mit der symbolischen Beschreibung einer Welt der Ödnis wird in den Erinnerungs-Fundus abgespeichert.

Das Sänger-Team: Pauschale Anerkennung für gute, aber keine Spitzenleistung verdienen Albert Dohmen (Amfortas), Hans Tschammer (Gurnemanz), graduell stärker Eike Wilm Schulte (Klingsor) und Thomas Moser als Parsifal. Violeta Urmana, als nächste Sensations-Kundry nach Waltraud Meier gehandelt, ist auf dem Weg, dem Anspruch gerecht zu werden, doch noch nicht am Ziel. In die Anerkennung einzuschließen: Schönberg-Chor (Damen), Prager Philharmonischer Chor (Herren), Tölzer Knabenchor.

Die Berliner unter Abbado: Willig den Intentionen folgend, das Spektrum von wunderbarer meditativer Innigkeit bis zu aufgewühlter extremer Ekstase bruchlos ausfüllend. Ein Abschiedsgeschenk für den scheidenden Chef.


Oberösterreichische Nachrichten 28.März 2002

SALZBURG: Schumanns "Faust"-Szenen bei den Osterfestspielen

Die Rarität, frisch geputzt

Nach dem diesseitigen "Heldenleben" im zweiten Orchesterkonzert Tod und Verklärung. Aber nicht von Strauss, sondern von Schumann in Sachen Goethe und "Faust". Nicht das vehemente Vorandrängen Mariss Jansons ' war angesagt, sondern das intensive Emotionsprofil, das Claudio Abbado den Berliner Philharmonikern verordnete, dazu einer Zehnerschaft von Solisten, den hervorragend einstudierten Vokalvereinigungen Schwedischer Rundfunk- sowie Ericson-Kammerchor und dem ebenso beklatschenswerten Tölzer Knabenchor.

"Faust". Schumanns Goethe-Extrakt. Passt auch in diese Oster-Festspielzeit. Die inhaltlich-strukturelle Konzentration auf Verklärungs- und Errettungs-Philosophie der Schumann-Komposition ist dem "Parsifal" zur Seite zu stellen, wenn man so will. Den ja ebenfalls Abbado dirigiert. Und er passt auch zur Programmlinie dieser Osterfestspiele, in der Helden- und Antiheldentum als Leitthema auszumachen sind.

Goethes "Faust" hat bald die Komponisten angeregt, sich mit ihm auseinanderzusetzen: Berlioz, Liszt und eben auch Schumann. Schumann wollte nicht den "Faust" in dessen wiewohl extrem zu verdichtender Textfolge musikalisch illustrieren. Es ging ihm um den Grundgedanken der Auseinandersetzung mit den philosophischen Betrachtungen um die Überwindung der irdischen Last und die Erlösungs-Apotheose. So sind die Faust und Gretchen beleuchtenden Schlüsselszenen aus "Faust I" nur als Impuls für alles Weitere zu sehen. Schumann, der mit dem Werk sechs Jahre rang - und in dem Indizien für seine eigene Personswandlung zu orten sind -, hat sich auch als Erstes mit dem Schlussteil beschäftigt.

Die zweistündige Komposition scheint auf den Konzertplänen kaum auf. Sie ist ein Solitär der Musikgeschichte, Abtlg. Romantik, bedarf eines riesigen Aufwandes. In den beiden ersten Abschnitten wirkt das Ganze überpathetisch, anfangs auch im Stil der Zeit überdehnt, verändert sich im (werkgeschichtlich also älteren) Schlussteil jedoch zu strafferem Profil.

Abbado hält die Strukturen im kontrollierten Gleichgewicht, arbeitet Empfindungsfarben zuweilen wunderschön heraus. Orchester und Vokalpartner folgen den Nuancierungs-Befehlen bis in feinste Verästelungen. So erscheint diese Konzertplan-Rarität wie frisch geputzt, abgeklopft sind Schwulst und Pathetik, die zu zelebrieren jede Chance gegeben wäre.

Die Solisten-Zehnerschaft hält sich im geforderten und erwarteten Qualitätsrahmen. Hervorzuheben sind das - etwas zurückhaltende - Gretchen (und Una Poenitentium) Amanda Roocroft und speziell Thomas Quasthoff, der als Faust (und Pater Seraphicus sowie Dr. Marianus) nicht nur das weich strömende Volumen seines Bassbaritons effektvoll einsetzt, sondern auch emotionale Bewegtheit vermittelt.

Wohl üblicher, aber verdienter starker Schlussbeifall.